Montag, 30. Oktober 2017

Arca Swiss - und was Rollei daraus macht

Mein Stativ Rollei C5i Carbon (mit FPH-52Q Kugelkopf) sollte jetzt mit zusätzlichen Arca Swiss kompatiblen Schnellwechselplatten erweitert werden, damit man bei Bedarf auch wirklich mal schnell wechseln kann. Mit nur einer einzigen Schnellwechselplatte müsste ich sonst bei verschiedenen Kameras jedes Mal die Schnellwechselplatte ab- und wieder anschrauben. Das geht zwar relativ schnell und ist auch nicht so viel Aufwand, aber eine fest an jeder Kamera montierte Schnellwechselplatte macht das Ganze erst wirklich komfortabel.

Da ich auch noch das kleine Sirui T-005X Stativ mit Arca Swiss kompatibler Aufnahme (C-10S Kugelkopf) habe, stellte sich die Frage, ob ich weitere Schnellwechselplatten nun von Rollei oder von Sirui kaufen sollte. Die beim C5i mitgelieferte 50mm Platte macht so eigentlich einen recht soliden Eindruck. Außerdem funktioniert die Sicherung der Rollei-Platten mit den überstehenden Schraubenköpfen gegen das Herausrutschen der Platte beim versehentlichen Lösen der Klemme zwar am Sirui-Kopf, aber die Sicherung der Sirui-Platten nicht bei Rollei. Denn Sirui setzt als Sicherungsmaßnahme ein anderes Verfahren mit einem versenkbaren Sicherungsstift ein. Deshalb habe ich mich für die QAL-50 von Rollei entschieden, die für ca. 20 Euro im Doppelpack erhältlich sind - und natürlich Arca Swiss kompatibel...

Nach dem Erhalt der neuen Platten habe ich diese gleich am Kopf des Rollei C5i angebracht und musste leider feststellen, dass beide Platten bei vollständig angezogener Klemme in der Aufnahme hin und her rutschen, so als wäre die Klemme leicht geöffnet. Etwas irritiert habe ich die Platten dann ins Sirui eingesetzt, hier ließen sich beide Platten jedoch problemlos fixieren. Irgendetwas ist hier also inkompatibel zum Arca Swiss Standard.

Interessanterweise liegen die Arca Swiss Inkompatibilitäten hier nicht zwischen den Produkten verschiedener Hersteller oder billigen NoName-Produkten, sondern ausschließlich zwischen den Produkten eines Herstellers, der sich in den letzten Jahren eigentlich einen recht guten Namen bei Stativen gemacht hat - Fotopro unter dem Label Rollei.

Bei genauer Betrachtung habe ich dann gesehen, dass die neuen Rollei-Platten entweder zu klein sind oder die Aufnahme im Rollei-Kugelkopf im geschlossenen Zustand zu groß ist. Ich tippe mal eher auf letzteres, da die beiden Rollei-Platten in der Aufnahme des Sirui-Stativs keinerlei Probleme bereiten.

Im nachfolgenden Bild ist gut zu sehen, dass auf der linken Seite ein Spalt von mindestens 0,5 mm verbleibt, obwohl die Aufnahme der Klemme komplett geschlossen ist:
Rollei Arca Swis Aufnahme - rutschende Schnellwechselplatte wegen zu viel Spiel durch zu hohe Toleranzen


Da es sich in diesem Fall durchgängig um Produkte von Rollei handelt, habe ich daraufhin den Rollei-Support angeschrieben, mein Problem geschildert und um einen Lösungsvorschlag gebeten. Einen Umtausch der neu gekauften Platten sehe ich zu diesem Zeitpunkt nicht als sinnvoll an, da zu befürchten ist, dass auch die umgetauschten Platten vom gleichen Händler wieder zu klein sein könnten. Denn sie stammen sehr wahrscheinlich aus der gleichen Lieferung und somit aus derselben Fertigungsreihe mit den gleichen Toleranzen. Zu viel Aufwand für zu wenig Erfolgsaussichten.

Mal sehen, wie sich Rollei in den nächsten Tagen dazu äußert...


Update Freitag, 05.11.17:

Keinerlei Rückmeldung vom Rollei-Support bisher. Ich vermute, da wird wohl jetzt auch nichts mehr kommen...

Meine neuen Platten habe ich zwischenzeitlich mal an einem anderen Rollei C5i ausprobiert: dort passen sie einwandfrei und ohne Spiel. Glücklicherweise habe ich mir den Aufwand der Rücksendung der neuen Platten erspart, denn offensichtlich ist die Schnellwechselklemme an meinem C5i bei der Fertigung wohl etwas aus der Toleranz geraten. Ob Abweichungen von mehr als fünf zehntel Millimetern bei Massenprodukten von namhaften Herstellern im Zeitalter von CNC-Fräsen akzeptabel sind, das lasse ich einfach mal so stehen.

Die Aufnahmevorrichtung gibt es leider nicht einzeln zu kaufen und ein kompletter Kugelkopf von Rollei (52Q bzw. dessen Nachfolger T2S) inklusive Klemme kostet mal eben stolze 49 Euro. Eine Reklamation des Stativs beim Händler wird vermutlich schwierig werden, da es keine explizit zugesicherte Eigenschaft des Stativs ist, dass dort auch jede andere Schnellwechselplatte passen muss - selbst wenn sie vom gleichen Hersteller sind. Auch hier zu viel Aufwand für zu wenig Erfolgsaussichten.

Also nun weiter mit Plan B.

Da die Aufnahme nur mit einer Innensechskantschraube am Kugelkopf befestigt ist, war meine Idee nun, die Aufnahme vom Kugelkopf abzuschrauben und gegen eine andere Aufnahme auszutauschen. Nun ja, so einfach ist das nun doch nicht. Die Schraube saß bombenfest und ließ sich absolut nicht lösen. Meine erfolglosen Versuche haben den Innensechskant der Schraube völlig vernudelt. Ich habe dabei übrigens keinen Einweg-Inbusschlüssel eines schwedischen Möbelhauses oder den von Rollei zum Stativ mitgelieferten Schlüssel verwendet, sondern tatsächlich hochwertiges Werkzeug von Wera.

Nun war der einzige Ausweg nur noch der Schraubstock mit Linksausdreher. Und selbst hier war einiges an Kraft erforderlich, aber die Schraube ließ sich aber so letztendlich rausdrehen. Warum in aller Welt erweckt Rollei den Eindruck, man könnte die Schraube mit dem mitgelieferten Werkzeug lösen, sichert diese dann aber mit Kleber gegen versehentliches und sogar absichtliches Lösen?

Rollei Arca Swiss Aufnahme - Entfernen der Schraube mit Linksausdreher und Gewalt


Ich habe mir jetzt eine neue Aufnahme von Mengs bestellt, eine CL-50S (inklusive einer 50mm Schnellwechselplatte) zum Preis von 16 Euro. Wenn ich bedenke, dass Rollei für eine 50 mm Schnellwechselplatte alleine schon 10 Euro verlangt, dann ist das ein echtes Schnäppchen.

So werde ich nun hoffentlich mein Carbon-Stativ der 250 Euro-Klasse mit billigen China-Ersatzteilen tatsächlich Arca Swiss kompatibel machen. Mal sehen, was Mengs so abliefert, aber schlechter als Rollei kann es ja nicht mehr werden...


Update Donnerstag, 09.11.17:

Eine Antwort von Rollei ist auch bis heute nicht angekommen. Nicht etwa, dass ich deren Hilfe wirklich benötigen würde, um mein Problem zu lösen. Es würde mich vielmehr interessieren, wie der Kundendienst bei Rollei Deutschland nach dem Kauf aussieht. So wie es bis jetzt aussieht, ist man dort scheinbar auch nicht besser aufgehoben als bei einem chinesischen eBay-Händler mit Sitz in Shenzhen...

Zurück zur Problemlösung. Rollei hat für die Befestigung der Klemme auf dem Kugelkopf eine Innensechskantschraube mit 6 mm Durchmesser und 17 mm Länge verwendet. Ein recht ungewöhnliches Maß, finde ich. Da ich die Schraube bei der gewaltsamen Demontage leider mehr oder weniger zerstören und somit ersetzen musste, habe ich mich nun alternativ für ein gängiges Modell mit 16 mm Länge entschieden. 100 Stück aus Edelstahl für 2,90 Euro. Allerdings habe ich jetzt 99 Stück über. Falls also noch jemand eine Schraube benötigt, ich hätte da noch die eine oder andere...

Die Aufnahme von Mengs ließ sich einwandfrei auf dem Kugelkopf von Rollei befestigen und die Schraube hält anscheinend auch ohne Loctite ausreichend fest im Kugelkopfgewinde. Und das wichtigste: tatsächlich klemmt die Mengs-Klemme alle meine Schnellwechselplatten richtig fest. Sogar die beiden von Rollei, die in der Original-Klemme von Rollei locker hin und her gerutscht sind.

Rollei Kugelkopf FP-52Q mit Aufnahme CL-50S von Mengs und Schnellwechselplatte Rollei QAL-50

Ok, so weit, so gut, Problem behoben. Und welchen Eindruck macht die günstige Klemme von Mengs denn noch so?

Die Schnellwechselklemme hat zwei Libellen in der Aufnahme und eine in der seitlichen Schraube, so wie das Gegenstück von Rollei auch. Wer die Libellen der Mengs-Klemme benutzen möchte, um darüber die Kamera waagerecht auszurichten, der kann auch gerne den Stand der Sonne verwenden, um die exakte Uhrzeit zu ermitteln. Schade. Hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich gleich eine Klemme ohne integrierte Wasserwaage gekauft. Nicht des Preises wegen, aber lieber gar keine Anzeige, als eine falsche Anzeige.

Die Schraube zum Öffnen und Schließen der Klemme ist übrigens nicht wie bei Rollei mit einem Gummi versehen, sondern aus geriffeltem Vollmaterial. Mir persönlich gefällt das besser. Ansonsten lässt sich die Klemme sehr geschmeidig bedienen. Da hakt und knackt nichts, im Gegensatz zu der Aufnahme von Rollei, die beim Öffnen und Schließen ganz leichte Knackgeräusche macht. Nicht schlimm, aber bei dem Preisgefüge hätte ich es doch eher umgekehrt erwartet.

Die Klemme von Rollei hat eine Größe von 40 x 50 mm, die von Mengs liegt bei 50 x 50 mm. Obwohl die Klemme von Mengs etwas größer ist, lassen sich die Beine des Stativs aber immer noch vernünftig über den Stativkopf zusammenklappen.

Der Mechanismus zur Sicherung gegen ein versehentliches Herausrutschen der Schnellwechselplatte aus der Aufnahme beim leichten Lösen der Klemme funktioniert bei Mengs exakt genau so wie bei Rollei. Hier sind alle Schnellwechselplatten bzw. die Aufnahmen gleich gut.

Der halbrunde Bügel an der Schraube der Rollei-Schnellwechselplatte ist übrigens sehr leichtgängig, was zur Folge hat, das der Bügel nicht dauerhaft fest unter der Platte bleibt, sondern dem Gesetz der Schwerkraft folgend immer wieder ausklappt. Dadurch ist das Einsetzen der Kamera mit der Rollei-Platte in die Schnellwechselklemme ein wenig fummelig, weil der Bügel ständig im Weg ist. Der Bügel an der Mengs-Platte sitzt deutlich strammer, was ich aber nicht als Qualitätsmerkmal werten würde. Die Schrauben von Rollei und Mengs sehen sich dermaßen ähnlich, dass ich vielmehr vermuten würde, dass beide Schrauben vom gleichen Zulieferer stammen und sich das jeweilige Verhalten des Bügels bei den Schnellwechselplatten unterschiedlicher Hersteller wohl eher zufällig anhand von minimalen Fertigungsunterschieden ergibt.


Mein Fazit: Mit billigen Ersatzteilen aus China lässt sich das teure Equipment aus China in einen brauchbaren Zustand versetzen. Natürlich vorausgesetzt, man verfügt über einen Schraubstock und einen Linksausdreher. Ansonsten ist man gezwungen, das teure Equipment aus China mit ebenso teuren Ersatzteilen aus China nachzubessern, um von der Arca Swiss-Kompatibilität uneingeschränkt profitieren zu können.