Samstag, 26. Januar 2019

Die Festbrennweite - eine Empfehlung für Einsteiger?

Oft lautet die Empfehlung an Fotografie-Einsteiger: "Kauf dir eine Festbrennweite!"

Auf diese Aussage bin ich in meiner Anfangszeit auch oft gestoßen. Und natürlich habe ich mir daraufhin ein Festbrennweitenobjektiv gekauft. Ein 50mm mit einer f/1.8 Offenblende. Das Objektiv, das man einfach haben muss.

Muss man wirklich?

Die 50mm sind auch mit in meinem Kit-Objektiv 18-55mm enthalten. Warum sollte ich dann dafür extra ein neues Objektiv kaufen? Wenn es nur um die feste Brennweite geht, dann fixiere ich den Zoom-Ring meines Objektivs in der 50mm-Stellung mit Klebeband - und schon habe ich dauerhaft eine fest Brennweite von 50mm.

Gibt es denn Vorteile der echten 50mm Festbrennweite gegenüber dem Klebeband-Workaround und welche sind das?

Eine Offenblende von f/1.8 ermöglicht das Freistellen von Motiven, also einen unscharfen Hintergrund bei scharfem Motiv, wesentlich besser als ein Zoom-Objektiv bei einer Offenblende von f/5.0 bei 50mm. Die große Offenblende des Festbrennweite hat noch andere Vorteile. So kann ich mit einer Blende von f/1.8 auch in dunklen Umgebungen mit kürzeren Belichtungszeiten arbeiten, ohne den ISO-Wert zu erhöhen und damit ein - je nach Kamera - mehr oder weniger ausgeprägtes Bildrauschen zu erzeugen oder ein Stativ verwenden zu müssen. Was die Abbildungsleistung angeht, sind Festbrennweiten konstruktionsbedingt meist besser als günstige Zoom-Objektive.

Auch Zoom-Objektive haben ihre Vorteile, sonst würde es sie nicht geben. Ein oft genannter "Vorteil" von Festbrennweiten: Die Festbrennweite zwingt mich, den Abstand zum Motiv zu verändern, wenn ich einen bestimmten Bildausschnitt haben möchte. Was ist aber, wenn ich das gar nicht möchte oder auch nicht kann, beispielsweise weil ich schon mit dem Rücken an der Wand stehe? Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten: Ich verwende eine 35mm Festbrennweite - oder ich drehe einfach den Zoom meines Kit-Objektivs auf 35mm.

Des weiteren stellt sich die Frage, ob die Festbrennweite überhaupt zu dem passt, was ich fotografieren möchte. Wenn ich mit meiner 50mm Festbrennweite im Zoo einem Löwen auf zwei Meter Entfernung nähern muss, um ihn formatfüllend fotografieren zu können, dann ist das nicht unbedingt die beste Idee - oder einfach nur die falsche Brennweite.

Ich habe meine 50mm Festbrennweite fast immer dabei, benutze sie aber nur gelegentlich. Und zwar genau dann, wenn ich sie wirklich sinnvoll einsetzen kann. Natürlich kann ich auch meine Tasche mit verschiedenen Festbrennweiten bestücken: 28mm, 35mm, 40mm, 50mm, usw. und das Zoom-Objektiv zuhause lassen. Ob das aber die Empfehlung an Einsteiger sein sollte?

Meine Empfehlung lautet:

Probiere mit einem Streifen Klebeband an deinem Zoom-Objektiv aus, ob dir die permanente Einschränkung auf eine feste Brennweite gefällt. Wenn ja, dann kauf dir eine Festbrennweite.

Stellst du fest, dass dein Zoom-Objektiv nicht das leistet, was du für deine Bilder brauchst, dann kauf dir eine Festbrennweite.

Wenn du möglichst viele Objektive haben möchtest, weil man sie vielleicht irgendwann mal für irgendwas brauchen könnte, dann kauf dir eine Festbrennweite.

Möchtest du einfach mal ein Festbrennweitenobjektiv ausprobieren, dann frag Freunde oder Bekannte, ob du dir mal ein solches Objektiv ausleihen kannst.

Ansonsten nimm einfach dein Zoom-Objektiv und hab Spaß am Fotografieren. Und das kann man als Einsteiger auch ohne Festbrennweite lernen.